Interview mit Vincent Kühne: „Die Cannabis-Legalisierung hat uns viel Kraft gekostet“
Hier gibt es unsere Podcast Folge auf euren Wunsch noch mal zum Nachlesen. Das Transkript wurde mit Hilfe unserer Aufnahme-Software erstellt. Unser Gespräch wurde im September 2024 aufgezeichnet.
Cannapreneur, Content Creator, Meinungsmacher
Sonja Beeker:
Herzlich willkommen bei Mit was drin! Ich freue mich heute ganz besonders über meinen Gast. Der sitzt nämlich normalerweise auf der anderen Seite und führt durchs Programm. Und das macht er so gut, dass er mittlerweile – also als ich das letzte Mal nachgeguckt habe – 134.000+ Subscriber auf YouTube hat. Er ist YouTuber, er ist Cannapreneur, er ist Content Creator. Was habe ich noch gefunden? Meinungsmacher in der deutschen Cannabis-Szene. Herzlich willkommen, Vincent Kühne!
Vincent Kühne:
Dankeschön! Vielen Dank für die Einladung zu Mit was drin!
Sonja Beeker:
Mit welchem Titel fühlst du dich am wohlsten? Gibt es da einen?
Vincent Kühne:
Ach so, jetzt vom Titel her? Educator – und mittlerweile wird es auch immer mehr Unternehmer. Also von Content Creator wird es immer mehr zum Unternehmer mit den Jahren.
Sonja Beeker:
„Cannabis-Aufklärer“ habe ich auch noch gefunden. Das ist doch witzig! Ich kann natürlich nicht immer von mir auf andere schließen, aber unternehmerisch war bei uns am Anfang noch gar nichts. Erst mal einfach ein bisschen Cannabis anbauen und dann verkaufen – dass man da tatsächlich Business-Qualitäten für braucht, war mir am Anfang nicht so klar.
Vincent Kühne:
Ja, war bei mir genau dasselbe. Ich habe auch gegrowt und meinen Grow auf Social Media gezeigt, schon vor 10, 12 Jahren. Ich hätte nie gedacht, dass das mal mein Beruf wird. Und als ich es dann zu meinem Beruf gemacht habe, hätte ich nie gedacht, wie viel Unternehmertum und wie wenig Content Creation es am Ende ist. Leider. Also, es sind 80 % Schreibtischarbeit, 10 % nur Probleme lösen – und 10 % Content Creation.
Sonja Beeker:
Ich hatte mir die Frage eigentlich für später aufgehoben, aber jetzt passt es gerade so gut: Was hat dir deine Ausbildung bzw. dein Studium gebracht? Wie hat es dir geholfen, dort hinzukommen, wo du jetzt bist? Und da hast du ja dann eigentlich doch genau das Richtige studiert, oder?
Vincent Kühne:
Ja, also ich habe eine Ausbildung zum Industriemechaniker, Fachrichtung Produktionstechnik gemacht und dann im Anschluss an der FH Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Marketing und Handel studiert. Damals haben alle gesagt: „Was hast du vor in deinem Leben? Das passt alles gar nicht zusammen.“ Ich wusste es, glaube ich, selber nicht, aber ich habe immer das gemacht, wo meine Passion dahintersteckt.
Ich interessiere mich bis heute für technische Geräte. Ich wollte eigentlich Ingenieur werden, habe dann aber verstanden, dass es Leute gibt, die besser sind als ich. Wirtschaftswissenschaften war dann tatsächlich das beste Werkzeugkästchen, das ich für mein heutiges Unternehmertum haben kann – also für die Selbstständigkeit und für alles, was dazugehört. Mit Content Creation, Consulting und all diesen Sachen bringt man am Ende des Tages das Brot nach Hause.
Sonja Beeker:
Das ist echt verrückt. Gerade in diesem Jahr hat das bei dir ja nochmal richtig an Tempo zugenommen, oder? Ich habe das Gefühl, das hat sich vervielfacht. Wie geht es dir damit? Ich meine, der Grund ist natürlich super, aber menschlich gesehen?
Die Cannabis-Szene ist maximal ausgelaugt
Vincent Kühne:
Alle sind ausgebrannt. Die Cannabis-Szene ist maximal ausgelaugt, sowohl auf der Unternehmer- als auch auf der Content-Creator-Seite. Ich war gerade gestern auf einem Branchentreffen, und jeder sagt: „Ich bin durch.“
Es war ja nicht so, dass man sich nicht darauf vorbereitet hat. Auch meine Frau wusste: „Dieses Jahr wird irgendwann dieser Moment kommen.“ Und dann wird das Arbeitsaufkommen enorm sein. Und genau so ist es gekommen. Seit dem 1. April hat sich alles – wie du gesagt hast – tatsächlich vervierfacht. Ich kann gar keine neuen Projekte mehr annehmen. Ich bin komplett an meinem Kapazitätsmaximum. Der ganze Markt ist in manchen Bereichen wirklich am Rotieren.
Sonja Beeker:
Ja, das merkt man auch an der Nachfrage. Seeds wurden ja dieses Jahr unglaublich viele verkauft.
Vincent Kühne:
Ja, du musst dir mal vorstellen, wie viele Leute Seeds dieses Jahr in Deutschland gepoppt haben! Das geht in die Millionen an Pflanzen, die plötzlich in diesem Land stehen können.
Sonja Beeker:
Und die jetzt so langsam auch richtig anfangen zu riechen …
Vincent Kühne:
Ja! Die Indoor-Grower und die Automatic-Grower haben alle schon gut zwei Ernten, manche sogar mehr. Jetzt gerade ist in Deutschland von der Sonnenstundenzeit her die Phase, in der die Pflanzen den Stretch hinter sich haben. Jetzt geht es ins Stacking und Budding – also jetzt kommen die Blüten.
Sonja Beeker:
Das ist aber krass. September ist ja eigentlich schon recht spät. Kommt ihr da nicht in die Bredouille? In Maine war es immer so: Das Wetter kippt, es wird nass, und dann sah alles erst toll aus – bis Bud Rot kam und dann war es vorbei.
Vincent Kühne:
Ja, dieses Jahr ist es echt spät. Und es ist generell ein schwieriges Jahr für Outdoor-Grower. Wir hatten einen sehr heißen und nassen Sommer. Das hat schon während der Wachstumsphase zu vielen Problemen geführt.
Wer jetzt nicht Sorten hat, die sehr schnell fertig werden oder semi-automatisch sind, sodass sie früher in die Blüte übergehen, der wird Probleme bekommen. Ich würde sagen, auch die Pflanzen, die bei mir im Garten stehen, sind dieses Jahr extrem spät in die Blüte gegangen. Ich denke, dass ich da auch Probleme bekommen werde. Aber meine Pflanzen draußen sind eher so Spaßpflanzen – einfach, um wieder zu fühlen, wie es in Deutschland ist. Dieses Jahr ist ein schwieriges Outdoor-Jahr.
Sonja Beeker:
Was hast du draußen angepflanzt?
Cannabispflanze im ICE
Vincent Kühne:
Wie die Jungfrau zum Kind bin ich dazu gekommen. Ich hatte eigentlich gar nicht vor, Outdoor anzubauen. Ich muss meine drei Pflanzen irgendwie aufteilen – wir haben ja in Deutschland eine Begrenzung pro erwachsene Person.
Ich war auf der größten Cannabis-Messe Europas in Berlin. Dann kam jemand aus meiner Community auf mich zu und hat mir eine Persian Pie von Greenhouse Seeds geschenkt, die schon 20 cm groß war. Und eigentlich dachte ich: „Die schleppst du niemals mit dem Zug nach Hause.“ Aber wie das so ist – es ist eine Pflanze, die lebt, die sah wunderschön aus.
Dann dachte ich mir, ich stelle sie erst mal in den Garten – vielleicht merkt es keiner. Aber die ist dann so groß geworden, dass ich sie offiziell in meine drei Pflanzen mitzählen musste.
Sonja Beeker:
Wie hast du die denn im Zug transportiert? Wenn die schon so groß war, haben da wahrscheinlich einige Leute gegrinst. Oder gab es Leute, die gar nicht wussten, was das für eine Pflanze ist?
Vincent Kühne:
Ja, ganz neue Situation. Meine Frau und ich saßen im ICE auf einem Viererplatz mit Tisch – und darauf stand die Pflanze. Ganz entspannt. Und das Beste: Es war keine Straftat mehr!
Sonja Beeker:
Hahaha! Und die Pflanze hat dann auch ein bisschen was von der Welt gesehen – das ist ja cool. Ich hatte irgendwann, da war ich so 16 oder 17, ein Poster bei mir im Zimmer hängen. Das hatte ich mir aus einem damals recht hippen Laden geholt. Da war eine Pflanze drauf, und ein Marienkäfer saß darauf. Und irgendwann bekam ich Besuch von einem richtig coolen Typen mit einer Vespa, und der meinte so: „Hey, cooles Poster.“
Vincent Kühne:
Okay, so sieht’s aus.
Sonja Beeker:
Und ich so: „Ja, was beißt ihr jetzt am Marienkäfer?“ Mir war überhaupt nicht klar, dass das eine Cannabis-Pflanze ist! Ich habe es wirklich nicht gewusst. Du kennst das Poster bestimmt.
Vincent Kühne:
Ja! Ich kenne das Poster. Das war damals in jedem Plattenladen – und in jeder Stadt gab es eigentlich immer dieselben Poster. Dieses Marienkäferposter auf einem Cannabisblatt, das so leicht in der Unschärfe ist. Ich kann mich gut dran erinnern.
Sonja Beeker:
Genau! Und wie war das bei dir? Ich war damals, wie gesagt, 16 und hatte überhaupt keine Ahnung von Cannabis. Wie war das in deinem Alter?
Vincent Kühne:
Grundschule Waldorfschule – das sagt, glaube ich, alles. In der Waldorfschule kam man nicht unbedingt durch die Schule selbst mit Cannabis in Kontakt, sondern weil das Konzept so ist, dass man alle Altersgruppen auf einem Schulgelände hat – von der ersten bis zur 13. Klasse. Das bedeutet, dass oft die älteren Geschwister von Klassenkameraden mit auf dem Schulhof sind. Und so war es bei mir auch.
Vielleicht ein bisschen zu früh – ich war 12 oder 13. Das heißt nicht, dass man dann gleich zum Dauerkonsumenten wird, aber die ersten Erfahrungen habe ich in dem Alter gemacht. Und dann ging es los mit langen Haaren, Schlaghosen – eine typische Selbstfindungsphase. Und in der gehörte Cannabis für mich damals schon dazu.
Ich habe sehr schnell gemerkt, dass Cannabis irgendwie „mein Ding“ ist – im Gegensatz zum Alkohol. Und ohne es damals richtig zu verstehen, habe ich gemerkt, dass es mir hilft. Ich habe ADHS, und das wurde mir erst später als Diagnose offiziell bestätigt. Aber damals habe ich schon gemerkt: Cannabis tut mir gut. Das Gedankenkarussell hält an.
Okay, so fühlen sich vielleicht normale Menschen.
Sonja Beeker:
Ja, das habe ich in meiner Vorbereitung gesehen – dass du seit 2017 offiziell Cannabis als Medizin nutzt. Aber du hast für dich eigentlich schon viel früher erkannt, dass es dir hilft.
Vincent Kühne:
Ja, direkt beim ersten Mal. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie Cannabis das erste Mal gewirkt hat. Mein erster Gedanke war: „Okay, so fühlen sich vielleicht normale Menschen.“ Weil das Gedankenkarussell plötzlich angehalten hat.
Aber Cannabis als Medizin für ADHS ist nicht einfach so: „Ich nehme das jetzt und dann ist alles super.“ Es muss bewusst und richtig eingestellt sein. Genau wie bei Ritalin oder Methylphenidat. Man kann sich auch mit diesen Medikamenten überdosieren – ob es nun Cannabis oder Ritalin ist. Und beides ist nicht zielführend. Da ist viel Verantwortung gefragt – sowohl vom Cannabis-Patienten als auch generell von ADHS-Betroffenen.
Sonja Beeker:
Total! Das ist ja eigentlich bei vielen Medikamenten so. Es geht nicht darum, einfach morgens eine Pille zu nehmen und sich nicht mehr damit auseinanderzusetzen. Man muss mitarbeiten. Mein Mann hat übrigens auch ADHS.
Vincent Kühne:
Ja, das Wort „mitarbeiten“ trifft es wirklich gut.
Sonja Beeker:
Ich weiß nicht, wie es seiner Frau damit geht, aber es ist nicht immer einfach …
Vincent Kühne:
Hahaha, nee. Es ist anstrengend.
Sonja Beeker:
Ja, echt jetzt! Ich finde auch, dass Ritalin eine andere Wirkung hat als Cannabis. Wenn mein Mann Ritalin nimmt, ist er irgendwie … edgier. Er wirkt kühler. Da geraten wir eher in Streit, als wenn er Cannabis konsumiert.
Vincent Kühne:
Meine Frau sagt manchmal, ich sollte Ritalin wieder ausprobieren. Aber ich wehre mich dagegen, weil mir die Nebenwirkungen von Ritalin nicht gefallen. Die Nebenwirkungen von Cannabis gefallen mir auch nicht immer – zum Beispiel, wenn es meine Produktivität hemmt.
Im Moment versuche ich, meinen Cannabis-Konsum auf das Wesentliche zu reduzieren – also wirklich nur zum Runterkommen und Entspannen am Ende des Tages. Gerade nutze ich mein ADHS gezielt, um den hohen Workload abzuarbeiten.
Sonja Beeker:
Du bist gerade das Duracell-Männchen. Aber ich finde, man sollte ADHS nicht nur negativ sehen. Es hat ja auch positive Seiten. Was Menschen mit ADHS manchmal auf die Beine stellen, ist unfassbar. Dieses „Ich mache jetzt weiter, bis ich umkippe“-Ding.
Vincent Kühne:
Ja, genau. Und „bis man umkippt“ trifft es gerade sehr gut. Ich fühle mich wirklich jeden Tag so. Meine Wochen sehen im Moment so aus: Montag bis Freitag – Vollgas. Samstags oft auch noch ein halber Tag. Und wenn ich dann in eine Ruhephase komme, dann entsteht erst mal ein Vakuum.
Meistens penne ich dann einfach weg – was ich von mir eigentlich gar nicht kenne. Aber ich bin wirklich am Limit meiner Kräfte. Die Legalisierung hat extrem viel Energie gekostet. Und die zwei Jahre davor – der ganze Gesetzgebungsprozess – stecken mir immer noch in den Knochen.
Sonja Beeker:
Ja, ich merke auch, dass viele noch dieses Gefühl haben: „Nehmen sie mir das jetzt wieder weg?“ Oder bleibt das? Kann ich dem Braten trauen? Weil der Prozess dahin so krass war. Ja, nein, doch, vielleicht …
Vincent Kühne:
Ja, viele haben immer noch eine gewisse Paranoia. Das liegt an den Jahrzehnten der Prohibition. Und natürlich auch daran, dass nicht jeder der Politik 100 % vertraut.
Ich persönlich bin Optimist. Ich glaube nicht, dass eine zukünftige Regierung die Legalisierung einfach zurückdrehen wird. Klar, die CDU macht Wahlkampf mit der Idee, es wieder rückgängig zu machen – aber das ist nicht so einfach umzusetzen.
Selbst wenn die CDU die stärkste Kraft wird und mit einer anderen Partei koaliert – mit wem wollen sie das machen? Alle anderen Parteien haben die Legalisierung mitgetragen. Also ich glaube nicht, dass das passiert. Aber ich verstehe auch die Leute, die sich nicht sicher sind.
Sonja Beeker:
Ja, total. Ich bin damals in die USA ausgewandert, ohne vorher wirklich mit Cannabis in Kontakt zu kommen. Und dort war es dann nie ein Thema – es war einfach schon legal. Ich habe diese Prohibitionsphase also nie bewusst miterlebt.
Vincent Kühne:
Ja, das ist krass. Ich spüre sie immer noch. Wenn ich das Wort „Prohibition“ höre, dann drückt es mir richtig auf die Schultern. Und eigentlich ist es ja immer noch nicht legal – es ist eine kleine Legalisierung, eine Entkriminalisierung.
Sonja Beeker:
Ja, es sitzt so tief …
Vincent Kühne:
Genau. Und mich regt das richtig auf – nicht, weil ich mehr Cannabis besitzen will, sondern weil ich gerne mit der Pflanze arbeiten würde. Aber mit drei Pflanzen kann ich nicht viel experimentieren, forschen oder lernen.
Sobald ich eine vierte Pflanze in die Blüte schicke, bin ich wieder kriminell. Und dann ist das Gefühl sofort wieder da: „Wenn das jemand sieht, gibt es Probleme.“
Aquaponik und die Fischlippe
Sonja Beeker:
Hast du schon mal Aquaponik ausprobiert oder dir das mal angesehen?
Vincent Kühne:
Ja, also Aquaponik finde ich superinteressant. Aber es war für mich in den letzten Jahren einfach nicht drin – vor allem mit dem Verbot. Es gibt ja viele Leute, die überhaupt nicht auf Hydro stehen, aber ich finde, Hydro kann extrem effizient sein.
Gerade wenn man es mit Fischen kombiniert – also Fische als natürliche Düngerquelle nutzt – dann schließt man einen Kreislauf. Das ist superinteressant. Ich finde das auf jeden Fall erstrebenswert, mich damit zu beschäftigen.
Sonja Beeker:
Wir haben das mal ausprobiert. Wobei „wir“ nicht ganz stimmt – es war mehr eine Idee von meinem Mann. Er war noch nicht besonders erfahren als Grower, hat aber gesagt: „Ich mache jetzt Aquaponik.“ Und ich meinte: „Gut, dann mach mal.“
Wir hatten Tilapia und Goldfische und haben sogar versucht, sie zu züchten. Aber der Chef des Schwarms war ein ziemliches Arschloch – auf gut Deutsch gesagt. Er hat immer alle anderen Fische gefressen oder verletzt. Dann wurde uns empfohlen, zur Züchtung die Unterlippe der Fische zu entfernen, damit sie sich nicht mehr so festbeißen können.
Da haben wir dann gesagt: Nee, das machen wir nicht.
Also ja, wir haben Erfahrungen im Aquaponik-Bereich gesammelt, aber es war superanfällig für Probleme. Wir hatten ständig irgendwas.
Vincent Kühne:
Wow. Nee, nee.
Ich denke, für einen Homegrower ist es vielleicht ein spannendes Projekt, weil man neugierig ist und was Neues ausprobieren will. Man lernt dann ja nicht nur über die Pflanze, sondern auch über Wasserqualität und Fische.
Aber es gibt wohl nur sehr wenige Produzenten, die Aquaponik für den medizinischen Markt in Deutschland nutzen – einfach weil es unglaublich schwer ist, das auf den Qualitätsstandard zu bringen, der für medizinisches Cannabis verlangt wird.
Sonja Beeker:
Ja, das glaube ich sofort. Ich war total verliebt in die Idee, weil das Konzept ja so schön ist – dieser Kreislauf. Aber Erfolg hat es uns nicht gebracht, nur Erfahrung. Aber davon eine Menge!
Vincent Kühne:
Ja, und Erfahrung ist ja auch was wert.
Sonja Beeker:
Ich wollte dich mal fragen: Dich kennen ja mittlerweile viele Leute, vielleicht wirst du auch auf der Straße erkannt. Wie ist das für dich, wenn du neue Leute kennenlernst, die nicht wissen, was du machst? Wie gehst du damit um?
Vincent Kühne:
Also erst mal fühle ich mich immer noch wie der Typ, der ich war, bevor das alles losging. Ich habe von Anfang an darauf geachtet, dass mir das nicht zu Kopf steigt.
Ich sehe mich selbst einfach als jemanden, der neugierig auf Cannabis ist und immer weiter darüber lernen will. Ich sage nicht: „Ich bin der Mastergrower.“ Sondern eher: „Ich bin Student fürs Leben.“
Wenn mich jemand fragt, was ich beruflich mache, habe ich zwei Standardantworten. Wenn ich gerade keine Lust habe, es groß zu erklären, sage ich einfach: „Ich arbeite im Marketing und mache Videoproduktion.“
Wenn ich Lust habe, darüber zu reden, dann sage ich mit einem Grinsen: „Ich bin Cannabis-YouTuber.“ Und dann schmunzle ich, weil ich es selbst irgendwie immer noch nicht glauben kann. Das war nie der Plan – ich wollte nie YouTube machen.
Sonja Beeker:
Ja, sowas kommt irgendwie zu einem. Man fängt mit einer Sache an, dann kommt noch was dazu – und plötzlich trägt man einen Hut, von dem man vorher nicht mal wusste, dass es ihn gibt.
Die Leute denken immer, dass ich den ganzen Tag kiffe und chille.
Vincent Kühne:
Ja! Aber das Lustige ist, wenn ich sage, dass ich Cannabis-YouTuber bin, denken die Leute immer, dass ich den ganzen Tag kiffe und chille. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall.
In Wahrheit ist es oft so: Ich sitze allein da und drücke mir still und heimlich eine Träne weg, weil das Pensum so hoch ist.
Selbstständig zu sein ist sowieso schon eine Herausforderung. In Deutschland erst recht. Und dann noch in der Cannabis-Branche? Das ist das volle Paket an Extra-Hürden.
YouTube stellt meine Videos auf „18+“, Banken geben mir kein Konto, Zahlungsanbieter lehnen mich ab – einfach, weil ich mit Cannabis zu tun habe. Unternehmertum mit dem zusätzlichen Stigma „Cannabis“ – das macht fertig.
Sonja Beeker:
Ja, das glaube ich sofort. Und das macht es ja wirklich doppelt und dreifach schwer.
Wir haben es auch mal mit einem YouTube-Kanal versucht. Ein paar Videos gemacht, ein bisschen ausprobiert. Und dann haben wir gemerkt, wie viel Arbeit das ist – und wie schwierig es ist, zu wachsen, wenn man Cannabis-Content hat.
Da kannst du nicht mal ein Video zeigen, in dem du einer Pflanze die Blätter entfernst, ohne dass es Probleme gibt.
Vincent Kühne:
Ja, genau! Super schwierig.
Früher, ganz am Anfang, dachte ich noch: „Cool, ich bin Content Creator!“ Aber das war noch die Zeit, in der ich kaum Verantwortung hatte, wenig Geld verdient habe und noch diesen Gründungs-Elan hatte.
Jetzt sage ich das erste Mal öffentlich: Wenn mich heute jemand fragt, ob er Cannabis-Content Creator werden soll, würde ich sagen: Überleg es dir dreimal.
Das hat nichts mit Konkurrenzdenken zu tun – im Gegenteil. Es gibt so viele Firmen, die Partner suchen, dass es eigentlich noch viel mehr Cannabis-Content Creator geben müsste.
Aber es ist das Gegenteil von „entspannt kiffen und chillen“. Es ist absolut strukturiertes Arbeiten, Planung, Termine einhalten.
Sonja Beeker:
Ja, ich kann das sehr gut nachfühlen. Man fängt irgendwann auch an, das ganze Cannabis-Business kritisch zu betrachten. Gerade in den USA gibt es mittlerweile Entwicklungen, wo ich mir denke: „Nee, das ist nicht mehr mein Ding.“
Vincent Kühne:
Ja, absolut.
Sonst war Cannabis immer ein Thema für Überzeugungstäter. Leute, die wirklich dahinterstanden. Klar, es gab immer auch diejenigen, die damit gutes Geld verdient haben – aber viele waren mit Herzblut dabei.
Jetzt, wo es kommerzialisiert wird, kommen Leute dazu, die einfach nur Geld verdienen wollen und keinen Bezug zur Pflanze haben.
Sonja Beeker:
Genau! Und was mich richtig fertig macht: Wie viel Müll mittlerweile durch Cannabis-Produkte entsteht.
Gerade in Maine, wo wir unsere Edibles hergestellt haben – was da mittlerweile an Cannabis-Verpackungen einfach in der Natur rumliegt!
Ich hatte irgendwie immer dieses romantische Bild: „Das sind doch alles ein bisschen Hippies, denen ist die Umwelt wichtig.“ Aber das ist halt Quatsch.
Müll ist Müll
Vincent Kühne:
Ja, genau! Das hat mit Cannabis an sich gar nichts zu tun, sondern mit uns Menschen.
Ich wurde so erzogen, dass man seinen Müll nicht einfach fallen lässt. Und wenn ich als Kind mal was auf den Boden geworfen habe, hat mein Vater gesagt: „Alter, wenn du das nicht aufhebst, muss es jemand anderes tun.“
Sonja Beeker:
Hahaha!
Vincent Kühne:
Und das hat sich bei mir so eingebrannt. Ich sammle sogar Müll auf, der nicht meiner ist.
Deshalb: Leute, nur weil Cannabis jetzt normaler wird, heißt das nicht, dass ihr eure Verpackungen einfach in die Natur schmeißen sollt!
Sonja Beeker:
Ja, Müll ist Müll. Und ich finde es wirklich schade, dass auch die Cannabis-Industrie dieses Problem hat.
Vincent Kühne:
Ja, genau. Die Verpackungen sind oft riesig, weil sie kindersicher sein müssen. Aber dann hast du noch mehr Plastikmüll, und das wird auch nicht so einfach recycelt.
Ich denke, vielleicht sind wir Deutschen da irgendwann Vorreiter. Wir sind ja schon mit unserem Pfandsystem weiter als viele andere Länder.
Sonja Beeker:
Ja, das wäre wirklich super! Ich habe damals lange nach einer nachhaltigen Verpackung für unsere Edibles gesucht.
Es gab zwar kompostierbare Taschen, aber kindersichere Versionen waren extrem schwer zu finden. Und wenn es eine Lösung gab, dann musste man 10.000 Stück auf einmal kaufen – und dafür waren wir zu klein.
Vincent Kühne:
Ja, genau das meine ich.
Ich fände es super, wenn man Cannabis in Pfandgläsern verkaufen könnte – wie beim Joghurt. Dann könnte man die Gläser zurückbringen und industriell reinigen. Vielleicht müsste man nur die Deckel austauschen.
Aber klar, sowas kostet dann auch Geld. Da müsste jemand ein funktionierendes System aufbauen.
Sonja Beeker:
Ja, das wäre toll. Dann wäre unser Gras wortwörtlich das „grünste“!
Vincent Kühne:
Haha, ja! Das wäre wirklich ein guter Slogan.
Sonja Beeker:
Was würdest du sagen, ist aktuell dein größtes Anliegen? Wir haben ja eben über die „kleine Legalisierung“ gesprochen. Was wünschst du dir noch?
Vincent Kühne:
Gerade geht es tatsächlich mal um mich persönlich. Ich bin ausgebrannt.
Und ich merke, dass es vielen anderen Aktivisten genauso geht. Wir müssen eigentlich weiterkämpfen – aber vorher müssen wir uns erstmal erholen.
Langfristig will ich, dass wir die Pflanzenanzahlbegrenzung abschaffen und eine realistische Menge Cannabis zu Hause lagern dürfen.
Ein Outdoor-Grower sollte ohne Probleme ein Kilo ernten dürfen – weil er daraus vielleicht Dry-Sift macht oder es anderweitig verarbeitet.
Aber um das zu erreichen, müssen wir alle wieder zu Kräften kommen.
Sonja Beeker:
Glaubst du, dass du im Winter ein bisschen runterkommen kannst?
Vincent Kühne:
Ja, ich versuche es jetzt schon. Die Messesaison wird weniger, und ich will langsam mal in den Entspannungsmodus kommen.
Es ist jetzt ja auch plötzlich Herbst geworden. Es wird kälter, und man kann gar nicht mehr viel draußen machen. Eigentlich wäre das die perfekte Zeit, um sich mit einer Decke aufs Sofa zu setzen – aber ich kriege das selten hin.
Sonja Beeker:
Weil du nicht lange still sitzen kannst?
Vincent Kühne:
Ja, genau!
Sonja Beeker:
Ich finde es aber cool, dass du und deine Frau euch so gut ergänzt. Es ist ja nicht selbstverständlich, dass der Partner so entspannt mit Cannabis umgeht.
Vincent Kühne:
Ja, das war auch von Anfang an klar. Sonst hätten wir nicht geheiratet.
Meine Frau liebt die Pflanze genauso wie ich. Aber die Legalisierung hat auch ihr extrem viel abverlangt.
Sie arbeitet ja selbst in der Cannabis-Branche, und ihr Pensum ist genauso explodiert wie meins. Dazu kommen noch Sachen wie Hausdurchsuchungen, nur weil ich in der Öffentlichkeit stehe.
Aber das Growen tut uns beiden gut. Es ist für uns fast meditativ.
Sonja Beeker:
Ja, das kann ich verstehen. Und es kommt dann oft zu kurz, wenn es zum Beruf wird.
Ich habe es geliebt, im Feld zu stehen und Blätter zu entfernen. Aber irgendwann haben das andere für uns gemacht, weil wir keine Zeit mehr hatten.
Vincent Kühne:
Ja, genau das ist das Problem. Wenn ein Hobby zum Beruf wird, verliert es oft seine Romantik.
Ich denke deshalb gerade viel darüber nach, ob eine Viertagewoche für mich funktionieren könnte. Ich arbeite eh jeden Tag intensiv – warum dann nicht vier Tage Vollgas und drei Tage Erholung?
Sonja Beeker:
Ja, mit Automatisierung kann man da bestimmt was machen.
Aber mit zwei Kindern funktioniert eine Viertagewoche leider nicht – da kannst du nicht einfach sagen: „Heute ist mein freier Tag!“
Vincent Kühne:
Hahaha, ja! Kinder lassen sich nicht abschalten.
Nano-emulgiertes THC
Sonja Beeker:
Vincent, unser Thema bei Mit was drin ist ja die Aufklärung über Edibles. In Deutschland gibt es da noch wenig Wissen, und ich finde, da muss mehr passieren.
Auch wenn Edibles nicht verkauft werden dürfen – man kann sie selbst machen. Und wenn man weiß, was man tut, kann man sich viel Ärger ersparen.
Hast du eine besondere Erinnerung an ein Edibles-Erlebnis? Vielleicht etwas, das richtig gut oder komplett schiefgelaufen ist?
Vincent Kühne:
Ja, auf jeden Fall! Mit dem richtigen Set und Setting kann das superlustig sein – muss es aber nicht.
Ich habe für mich eine Regel: Edibles nur freitags oder samstags. Man braucht mindestens einen freien Tag danach – besser zwei.
Sonst fahren montags die Jalousien nicht hoch!
Ich bin außerdem ein Fan von wasserlöslichem THC. Das ist nano-emulgiertes THC, das sich besser im Wasser verteilt. Dadurch wirkt es schneller und vorhersehbarer als klassische Edibles.
Sonja Beeker:
Ja, das ist das große Problem – die Wirkung setzt oft viel später ein, als die Leute erwarten. Und dann nehmen sie zu viel.
Vincent Kühne:
Genau. Das größte Missverständnis ist: „Ich merke nichts, also nehme ich mehr.“
Und dann ist es plötzlich zu viel. Deshalb finde ich wasserlösliches THC so gut – es wirkt schneller und baut sich gefühlt auch schneller wieder ab.
Sonja Beeker:
Ja, Bonbons sind da auch eine gute Alternative, weil man sie über die Mundschleimhaut aufnimmt.
Wir predigen das immer wieder: Wartet, bevor ihr nachlegt!
Vincent Kühne:
Ja, absolut!
Sonja Beeker:
Noch schlimmer ist es, wenn der Fresskick kommt und man nur noch Edibles im Haus hat.
Vincent Kühne:
Das darf nicht passieren!
Sonja Beeker:
Ich bin ein großer Fan von Microdosing. Also wirklich nur zwei Milligramm THC – ganz wenig.
Damit kann man durch den Tag kommen, ohne das Gefühl zu haben, „nicht mehr klarzukommen“. Im Gegenteil – es kann sogar helfen, fokussierter zu sein.
Vincent Kühne:
Ja, Microdosing ist super. Ich finde, zwischen zwei und fünf Milligramm kann man schon eine Wirkung spüren. Aber man muss bereit sein, wirklich in sich hineinzuhorchen.
Sonja Beeker:
Ja! Was hörst du, wenn du in dich hineinhorchst?
Vincent Kühne:
Der innere Dialog ist bei Cannabis auf jeden Fall relevant.
Sonja Beeker:
Ich merke dann oft Dinge, die mich vorher unbewusst gestört haben. Plötzlich denke ich: „Ach, das Hemd ist unbequem. Und ich habe zu wenig getrunken. Und das Licht ist zu grell.“
Vincent Kühne:
Hahaha! Ja, genau!
Sonja Beeker:
Die Pflanze ist einfach fantastisch.
Vincent Kühne:
Ja, sie ist ein Lehrer.
Sonja Beeker:
Ich finde, das ist ein schönes Fazit. Vincent, was können wir in Zukunft von dir erwarten?
Vincent Kühne:
Ich möchte weiterhin Menschen dabei helfen, sich mit Cannabis selbst zu versorgen – sei es beim Anbau oder bei der Verarbeitung.
Und ich hoffe, dass wir mal etwas zusammen machen! Dein Wissen über Edibles ist Gold wert. Viele machen Fehler beim Aktivieren – und damit steht und fällt die Wirkung.
Sonja Beeker:
Ja, super gerne!
Vincent Kühne:
Vielen lieben Dank für die Einladung – es hat echt Spaß gemacht!
Sonja Beeker:
Danke dir! Mach’s gut!
Vincent Kühne:
Ciao, ciao!