Frauen, Cannabis & die Suche nach dem perfekten High
Ein Interview mit Canan Schelicke von SheRise
Wir Cannabis-interessierten Frauen wollen über mehr sprechen als nur die leckersten Terpene und das stärkste Weed. Let’s talk about: Stillen und Cannabis, PMS und Edibles, Wechseljahre und hilfreiche Strains, THC-Toleranz-Schwankungen im weiblichen Zyklus.
Für Canan ist Cannabis kein Allheilmittel – jeder sollte seinen Konsum immer wieder reflektieren. Aber sie ist der Pflanze unglaublich dankbar.
Ihre Geschichte geht ans Eingemachte und inspiriert. Eine starke Frau.
Für all jene, die lieber lesen als hören gibt es unsere Podcast Folge hier noch mal zum Nachlesen. Es handelt sich um ein Transkript, das von unserem Schnittprogramm erstellt wurde.
Sonja Beeker:
Herzlich willkommen bei Mit was drin. Ich habe heute eine ganz inspirierende Frau zu Gast. Sie ist eine erfolgreiche Podcasterin. Ich, Mary Du Jane ist der bekannteste weibliche Cannabis-Podcast in Deutschland, kann man, glaube ich, sagen. Danach hat sie She Rise ins Leben gerufen, ein Netzwerk für Cannabis-Frauen. Und sie hat sich von Anfang an immer dafür stark gemacht, dass Frauen in der Cannabis-Welt nicht einfach nur stattfinden.
Die sind nicht einfach nur so da, die haben auch was zu sagen und möchten gerne mitreden. Sie ist Cannabis-Patientin und Mutter – du bist eine Cannamom. Herzlich willkommen, Canan Schelicke.
Canan:
Ja, hi, schön, dass du mich eingeladen hast.
Sonja Beeker:
Ich freue mich, dass du dir die Zeit genommen hast, trotz all der widrigen Umstände. Bei dir gehen gerade die ganze Zeit Glasdinge kaputt.
Canan:
Ja, hatten wir gerade schon. Ist ganz gruselig hier, ständig geht irgendwas kaputt, obwohl keiner irgendwas berührt oder sagt, ich hätte nichts berührt.
Sonja Beeker:
War auf einmal einfach da und lag in Scherben vor mir. Hast du so ein Glas-Rig eigentlich auch? Also so was, was man zum Beispiel zum Dabben brauchen würde?
Canan:
Jein. Ich hab Pfeifen von Puffco, die aussehen wie früher die Pfeife von Opa. Also sowas habe ich aus Glas, ja, aber sonst nein. Ich finde viele von denen ganz schön und ganz toll, aber ich bin nicht die Zielgruppe, einer Vase zu konsumieren.
Sonja Beeker:
Jein.
Canan:
Ich hoffe, das war politisch korrekt ausgedrückt, ohne jemanden zu beleidigen.
Sonja Beeker:
Ja, das kann man so sagen. Ich muss ehrlich sagen, ich bin auch nicht die Zielgruppe. Das liegt bei mir aber daran, dass ich ehrlich gesagt keinen Bock darauf habe, die immer sauber zu machen. Ich hatte mal so ein ganz kleines Glasding, und wenn die dann schmutzig ist, sieht die ja irgendwie auch echt schäbig aus, dann will man da auch nicht draus konsumieren. Und irgendwann habe ich gesagt, das bin ich einfach nicht. Es muss schnell gehen. Es ist wirklich so, es muss einfach sein irgendwie.
Dieses perfekte Ich würde eher durch Edibles konsumieren
Canan:
Also ich muss zugeben, ich bin absolut noch – obwohl ich schon länger konsumiere als Patient – trotzdem noch in der Entwicklungsphase zu meiner persönlichen perfekten Konsumart. Also wenn ich mein perfektes Ich so vor mir sehe, dieses perfekte Ich raucht gar nicht. Also weder durch eine Vase noch was anderes. Dieses perfekte Ich würde eher durch Edibles konsumieren.
Oder andere Möglichkeiten – Drink, Keks. Also irgendwas anderes, nicht mehr mit diesem Rauchen oder auch mit der gesellschaftlichen Verbindung als Kiffer. Weil wenn ich so eine Praline esse, das kriegt mein Nachbar nicht mit. Aber wenn ich in meinem Wintergarten sitze und meinen Joint rauche, das kriegen die oben mit.
Trotz meines Alters und trotz der über zehn Jahre Konsum bin ich immer noch in der Entwicklungsphase zum perfekten Ich – wo will ich eigentlich hin? Und da ich jetzt schon keine Dabbing Rigs oder Bongs benutze, glaube ich nicht, dass ich es in 20 Jahren tun werde.
Sonja Beeker:
Ja, du weißt ja, wir sind ja Edibles Maker, und deshalb bin ich natürlich auch ein großer Freund von Edibles. Und das ist auch einer der Gründe. Es kriegt niemand mit. Ich habe so ein kleines Tütchen oder eine kleine Dose, die sieht dann teilweise auch noch recht hübsch aus. Und ja, also das Schlimmste, was hier passieren kann, ist, dass jemand fragt: „Darf ich auch?“ und dann sagst du: „Nee, lieber nicht.“ Und dann musst du natürlich Farbe bekennen, aber ja.
Ich habe in der Vorbereitung gesehen – wenn ich „euch“ sage, meine ich Ich, Mary Du Jane – bin ich eigentlich ganz spät erst hinzugestoßen. Und als ich mich auf die Folge hier heute vorbereitet habe, habe ich gesehen, wie viele Folgen ihr vorher schon aufgezeichnet habt. Das waren über 60 oder so. Habe ich das richtig im Kopf?
Canan:
Wir haben in der Corona-Zeit angefangen, weil wir mitbekommen haben, dass der Lockdown losgehen soll. Und damals war unsere Überlegung noch: Machen wir das als nur Audio-Podcast oder gehen wir auch ins Visuelle rein? Also wo ich dir nicht erklären muss, okay, wenn ich visuell reingehe, dann brauche ich ein Studio, brauche ich einen Filmer, brauche ich einen Cutter. Ist alles auch sehr kostenaufwendig.
Wirklich 90 Prozent dieses Wochenende ging dieser Lockdown los. Wir sind einfach losgefahren zu Elektrospooter damals noch. Der hatte so ein kleines Studio zu Hause. Wir haben echt an einem Tag zehn Folgen aufgenommen, um uns abzusichern, falls dieser Lockdown kommt, dass wir wöchentlich eine Folge hochladen können. Es waren auch sehr strange Zeiten, nenne ich es mal so. War oft sehr kräftezehrend, ja.
Aber teilweise hat es auch Spaß gemacht. Deswegen eigentlich auch nur damals so schnell in Audio, weil es halt eine blöde Zeit für uns alle war.
Sonja Beeker:
Ja, das kann man, glaube ich, so unterschreiben. Ich muss zugeben, ich glaube, es war ehrlich gesagt blöder für viele andere als für uns, weil wir damals ja auch auf dieser Farm gewohnt haben und sowieso irgendwie relativ abgeschottet waren. Und da hat sich für uns gar nicht so wahnsinnig viel erstmal geändert, weil wir halt auch... Wir waren so weit draußen, dass wir sowieso immer, also...
Wenn wir einkaufen gegangen sind, haben wir sowieso immer Großeinkäufe gemacht, weil du kannst da nicht mal eben für eine Milch oder so losfahren. Deshalb waren wir da eigentlich ungewollt ganz gut drauf vorbereitet. Ich habe dann oft gedacht: „Du Scheiße, wenn du jetzt in einer kleinen Wohnung wohnst ohne Balkon, kannst überhaupt nicht rausgehen...“ Da wäre ich auch wirklich bekloppt geworden.
Canan:
Ja, so ging’s vielen Berlinern.
Sonja Beeker:
Ja, krass.
Canan:
Also so ging’s echt vielen Berlinern. Weil du ja auch nicht auf die Straße durftest und so. Ich glaube, damals auch mit diesem ganzen Lockdown-Ding, wir haben es halt echt hart mitbekommen, weil wir schon in der Planung waren mit dem ganzen Ich, Mary Du Jane-Konzept. Also auch das war ja damals schon ein Frauennetzwerk, das wurde ja nur zu She Rise sozusagen unbenannt.Canan:
Real Talk einfach. Also es ging ja dann über die deutschen Grenzen hinaus, und es gibt halt Zusammenarbeiten mit Spanien und so. Wenn ich mir jetzt vorstelle, die drucken unseren Namen in Spanien auf einen Flyer, und dann steht da Ich, Mary Du Jane… Also eigentlich wurde es nur zu She Rise, weil ich den Namen Ich, Mary Du Jane immer noch super finde.
Sonja Beeker:
Ja, ich auch.
Canan:
Und im Deutschen, mit diesem Wortspiel, du weißt ja nicht, wer gemeint ist – du, Mary, ich, Jane? Oder mein Joint und ich könnten Ich, Mary Du Jane sein? Aber für weltweite Zusammenarbeiten war der Name dann doch etwas lang und kompliziert. Deswegen ist es She Rise geworden.
Sonja Beeker:
Ja. Da macht man sich am Anfang, glaube ich – oder vielleicht machen sich andere da sofort Gedanken drüber –, aber wir haben uns auch keine Gedanken drüber gemacht. Ich wollte immer Unsere kleine Pot-Farm, da habe ich gedacht, das ist so süß. Ich habe früher immer Unsere kleine Farm geguckt, und jetzt haben wir Unsere kleine Pot-Farm.
Ja, aber wenn du das googelst, dann findet man dich einfach überhaupt nicht. Weil du erst mal alle Treffer von Unsere kleine Farm hast und dann irgendwo auf Seite 100 kommst du dann. Und bei Mary und Jane – Mary Jane ist natürlich auch… Könnte ich mir vorstellen, dass es schwieriger ist, da irgendwie nach oben zu kommen.
Canan:
Ich muss sagen, wir hatten Gott sei Dank keine Probleme. Uns hat alles in die Hände gespielt.
Sonja Beeker:
Gibt es eine Folge, auf die du ganz oft angesprochen wirst? Eine, die besonders im Gedächtnis geblieben ist?
Man fühlt sich, als wenn man zwischen uns sitzt
Canan:
Ich weiß nicht, ob wirklich hängen geblieben… Also wir kriegen viele Nachrichten wegen bestimmter Folgen. Wenn sich jemand persönlich involviert fühlt, das selbst erlebt hat oder auch so denkt. Ich höre oft als Feedback: Man probiert mitzureden. Also man fühlt sich, als wenn man zwischen uns sitzt und versucht, zu antworten.
Und dann kommt der Moment: „Ach nee, ich höre ja nur zu, ich bin ja gar nicht mit in der Runde.“ Das ist ganz süß, dass wir anscheinend echt geschafft haben – ohne es zu wollen –, dass du dich fühlst, als wenn du mit uns gerade am Tisch sitzt.
Aufmerksamkeit haben wir am meisten eigentlich mit der Folge Frau sein in der Szene bekommen – gar nicht unbedingt bei den Hörern, sondern in den Medien. Das war wirklich krass. Die Folge wurde in jeder Fachzeitschrift erwähnt, Interviews dazu wurden weiterverkauft an andere Zeitschriften. Also dieses Thema Frau sein in der Cannabis-Szene hat einen Nerv getroffen.
Sonja Beeker:
Ja.
Canan:
Das war auch, wie das Ganze überhaupt entstanden ist. Wir standen damals echt auf der Mary Jane-Messe. Elektra und ich kannten uns vorher nur online. Wir haben uns gegenseitig gefolgt, und dann habe ich sie angeschrieben: „Ey, pass auf, gehst du auch auf die Messe? Dann würde ich mich bei dir ranhängen, weil ich hab ja keine konsumierenden Freunde oder so.“
Und dann meinte sie: „Ja, klar, cool, ich will da auch hin, wir gehen zusammen.“ Und dann standen wir da echt auf der Messe – die ging drei Tage –, und am dritten Tag, am Sonntag, stand ich da und dachte: „Ey, was ist hier eigentlich los? Du, Mary, ich, Jane – unter all den Tarzans?“
Ich war vorher noch nie auf so einer Messe. Das war für mich der erste richtige Eindruck von der Szene. Und es ging nicht nur um das Publikum oder die Unternehmer – dass es nur Männer waren. Es waren auch die Produkte. Alles war auf Männer ausgelegt. Ich hätte mir einen coolen Grinder mitnehmen können, aber…
Sonja Beeker:
Ja.
Canan:
Weißt du, das war noch nicht so weit, dass es auch viel natürliche Produkte gab oder so. Es war einfach alles sehr männlich geprägt. Und so ist Ich, Mary Du Jane entstanden – aus der Erkenntnis, dass wir hier auch einen Platz brauchen. Ich habe ja gesehen, es gibt Frauen auf der Messe, aber das waren dann die Frauen des Pfeifenherstellers oder das eine Mädel, das mit einer Vierergruppe von Jungs mitgenommen wurde.
Ich saß damals nicht mit sechs Frauen zusammen und wir haben konsumiert. Das musste sich erst durch diese Arbeit entwickeln.
Sonja Beeker:
Hm. Ich finde, es hat sich viel getan, aber es geht auf jeden Fall noch eine Menge mehr. Ich persönlich merke das auch. Wir waren zuletzt bei der Spannabis in Bilbao, und da gab es wieder so viele Situationen, wo ich echt gedacht habe: „Hallo? Ich auch! Ich habe auch was im Kopf, ihr könnt auch mit mir reden.“
Es war fast schon wieder lustig. Ich war mit meinem Mann dort und wir haben uns mit Leuten unterhalten, die extrahieren und verschiedene Produkte haben. Ich habe das Gespräch gestartet – und dann haben sie nur noch mit meinem Mann geredet. Ich stand direkt daneben! Immer wenn der Typ eine Frage hatte, hat mein Mann mich gefragt. Ich habe ihm die Antwort gegeben, und er hat dann wiederum mit dem Typen geantwortet.
Das war so bekloppt! Aber solche Situationen erlebt man leider immer noch zu oft. Ich habe es mir nicht anmerken lassen, weil ich mir auch denke: Ich muss nicht jeden Kampf kämpfen. Aber irgendwie… ja. Ich glaube, wir werden da noch oft unterschätzt.
Canan:
Ja, und genau deswegen braucht es Netzwerke. Das sehe ich zunehmend. Es gibt weltweit immer mehr kleinere Frauennetzwerke, und das finde ich wundervoll. Denn diese Gruppen können sich dann für große Events, wie die Messe, zusammentun.
Hier in Deutschland hast du das auch, weil du ja nicht ein ganzes Land abdecken kannst. Es ist uns zum Beispiel nicht möglich, als She Rise fortlaufend etwas in Düsseldorf zu machen – wir sind auf der ganz anderen Seite von Deutschland. Dafür bräuchten wir ein Team von 150, 200 Leuten.
Deshalb ist es wundervoll, dass überall diese Grüppchen entstehen. Weil es dabei nicht nur ums Business geht, sondern um Ehrlichkeit, echte Freundschaften und Gemeinschaft.
Sonja Beeker:
Ja.
Das Netzwerk unter Frauen ist oft stärker
Canan:
Und was ich aktuell auf dem Markt sehe: Die Unternehmen haben langsam verstanden, dass es Frauen gibt – nicht nur als Patientinnen oder Assistentinnen, sondern als Ärztinnen, Marketingexpertinnen und in Chefpositionen.
Das Besondere ist: Das Netzwerk unter Frauen ist oft stärker. Eine gut vernetzte Frau kann ein Event mit den wichtigsten Leuten füllen, ohne viel Aufwand. Männer sind zahlenmäßig viel mehr in der Szene, aber um die richtigen Kontakte herzustellen, müssten sie viel mehr Arbeit reinstecken als wir Frauen momentan.
Sonja Beeker:
Cool. Und glaubst du, das liegt daran, dass Frauen sich von Natur aus besser vernetzen? Dass wir darin gut sind, Gruppen zu bilden und zusammenzuarbeiten?
Canan:
Ja, aber es geht um Fairness. Man muss sich nicht lieben, aber fair miteinander umgehen. Eine Frau, die einen CBD-Laden eröffnet, glaubt nicht, das Rad neu erfunden zu haben. Sie weiß, dass es Konkurrenz gibt, aber sie gönnt anderen trotzdem ihren Erfolg.
Ich glaube, Frauen sind da bewusster – oder wie eine Freundin letztens sagte: „Wir gönnen uns einfach mehr.“
Sonja Beeker:
Ja.
Canan:
Wir sind nicht neidisch darauf, wenn jemand einen größeren Pool hat. Wir freuen uns, dass wir beide einen haben.
Sonja Beeker:
Ich möchte gerne mal wissen… Also mein Problem ist so ein bisschen – und ich glaube, das geht nicht nur mir so –, wenn man das anspricht, dann heißt es schnell: „Ach, das ist wieder so ein Mann-Frau-Ding. Das ist auf Krawall gebürstet.“ Aber das ist es ja überhaupt nicht. Ich würde mir einfach wünschen, dass das besser miteinander läuft.
Ich glaube aber, dass viele Männer gar nicht verstehen, was unser Problem ist. Ich glaube, die denken: „Wieso? Ist doch alles gut. Ihr könnt doch auch.“ Wie können wir das den Männern näherbringen? Ihnen erklären, was wir uns anders wünschen?
Das ist die Herausforderung: Wie erklärt man es, ohne dass sich jemand angegriffen fühlt? Denn das möchte ich nicht. Ich will nicht, dass das zu einem „Wir gegen euch“ wird, sondern einfach ein „Hey, schaut mal, so ist das für uns.“ Kannst du das nachvollziehen?
Es geht nicht darum, dass wir über Periodenblut oder Muttermilch reden
Canan:
Ja, total. Und ganz ehrlich? Ich sehe mich nach so vielen Jahren, in denen ich das immer wieder gesagt habe – in fast jeder Podcast-Folge: „Fühlt euch nicht angegriffen!“ – nicht mehr in der Pflicht, irgendjemandem zu erklären, wann er sich getriggert fühlen sollte.
Es geht nicht darum, dass wir über Periodenblut oder Muttermilch reden. Sondern darum, dass sich manche Männer schon allein davon angegriffen fühlen, dass wir über irgendwas reden, das nicht sie betrifft. Und ich sehe es nicht als meine Aufgabe, immer wieder auf einen Zweijährigen einzugehen und zu sagen: „Ey, bitte fühl dich doch nicht angegriffen.“
Das Thema Frauen und Cannabis gibt es schon eine ganze Weile. Wenn man in den amerikanischen Raum schaut, gibt es riesige Panels, große Veranstaltungen. Und weißt du was? Nirgends steht ein Türsteher, der dein Geschlecht kontrolliert. Jeder, der sich dafür interessiert, kann sich dazusetzen und zuhören.
Sonja Beeker:
Ja, das stimmt.
Canan:
Ich hatte mal ein Panel organisiert mit Ärztinnen, Anwältinnen, Fachleuten. Und wir haben viele Themen angeschnitten – von Endocannabinoiden in der Muttermilch bis hin zu Werbung im Social-Media-Bereich: Was ist Aufklärung, was ist Werbung?
Und dann kam ein Mann aus dem Business-Bereich nach dem Vortrag zu mir. Er war total interessiert, weil er selbst eine Tochter hatte, und er sagte zu mir: „Ich wusste gar nicht, dass Frauen vier verschiedene Zyklusphasen haben. Dass sich ihr Hormonhaushalt ändert und sie dadurch eine andere THC-Toleranz haben. Ich wusste das einfach nicht.“
Und dann stellte er die beste Frage überhaupt: „Gibt es so etwas auch für Männer?“
Ich stand da, es ratterte in meinem Kopf. Und dann habe ich ihn angeschaut und gesagt: „Ganz ehrlich? Ihr seid immer noch bei der Diskussion darüber, welches Terpen am leckersten ist und wer das stärkste Weed hat.“
Er hat gelacht, und ich habe gesagt: „Ich wäre die Erste, die sowas für Männer unterstützen würde. Ich habe einen 16-jährigen Sohn. Ich würde mir wünschen, dass es mehr Forschung zu Endocannabinoiden, THC und Testosteron gibt. Was passiert, wenn das Testosteron im Alter abnimmt? Wie beeinflusst Cannabis Hodenkrebs oder Herzgesundheit bei Männern?“
Ich meinte dann zu ihm: „Ich mache She Rise, das ist schon genug Arbeit. Aber wenn du das Thema für Männer aufgreifen willst – go for it! Ich stelle dir jemanden vor, der daran Interesse haben könnte.“
Und genau das ist der Punkt: Wer sich wirklich interessiert, kann einfach zuhören und mitmachen.
Wenn du vorher nie Achtsamkeit praktiziert hast, dann wird dir Cannabis das nicht auf magische Weise beibringen.
Sonja Beeker:
Ja! Ich habe vor Kurzem mit Sebastian Marincolo gesprochen, der hat mehrere Bücher geschrieben, unter anderem Die Kunst des Highs. Und er hat das so schön runtergebrochen: Cannabis kann deine Aufmerksamkeit schärfen, dein Bewusstsein erweitern. Aber du musst selbst mitarbeiten.
Es ist nicht so, dass du einfach konsumierst und dann passiert das automatisch. Wenn du vorher nie Achtsamkeit praktiziert hast, dann wird dir Cannabis das nicht auf magische Weise beibringen. Aber wenn du schon auf einem bestimmten Weg bist, dann kann es dir helfen, noch tiefer in dich selbst zu schauen.
Für mich ist das das Spannende: Diese Pflanze kann so viel mehr, als einen einfach nur breit zu machen. Sie kann dich dabei unterstützen, dich selbst zu reflektieren.
Wir machen ja Edibles, und wir haben sowohl sehr starke als auch sehr schwache Produkte. Microdosing ist mein Ding. Ich finde es schade, dass sich auf dem Markt meistens die Produkte mit den höchsten THC-Werten am besten verkaufen.
Erst wenn sich ein Markt weiterentwickelt und der erste Hype vorbei ist, fangen die Leute an, sich zu fragen: „Wie kann ich Cannabis in mein Leben integrieren? Nicht nur am Wochenende, sondern vielleicht tagsüber in kleinen Dosen, um mich besser zu fokussieren?“
Das ist das, was mich interessiert. Aber es gehört eben dazu, dass man sich aktiv mit sich selbst auseinandersetzt. Es ist nicht einfach: „Hier, nimm das, und dann passiert es automatisch.“
„Cannabis macht dich nicht faul. Wenn du faul bist, bleibst du faul.“
Canan:
Ja, genau!
Und was ich die letzten Jahre beobachtet habe: Es gibt auch unter Cannabis-Patienten unterschiedliche Herangehensweisen.
Ich möchte mal eine Aussage von einem Psychologen zitieren. Ein Patient sagte zu ihm: „Durch Cannabis kann ich alles machen! Ich kann wieder laufen, ich kann wieder in den Wald gehen, ich kann morgens Sport machen.“
Und der Psychologe sagte: „Nein, das ist nicht das Cannabis. Das sind Sie. Sie könnten auch entscheiden, einfach auf der Couch zu bleiben. Aber Sie wollen rausgehen. Das ist Ihre Entscheidung.“
Das fand ich so wichtig. Denn ich habe auch eine lange Medikamentengeschichte hinter mir – Morphine, Antiepileptika, Antidepressiva. Und egal, ob es Pharma oder Cannabis ist: Medikamente sind nur ein Teil der Therapie.
Ich kann nicht einfach 30-prozentiges THC konsumieren und erwarten, dass meine Tumorschmerzen weggehen, wenn mein Magen-Darm-Trakt nicht funktioniert oder ich meinen Lifestyle nicht anpasse.
Ich glaube, Elektra hat das mal gesagt: „Cannabis macht dich nicht faul. Wenn du faul bist, bleibst du faul.“
Sonja Beeker:
Ja.
Canan:
Aber wenn du ein aktiver Mensch bist und motiviert, dann kann dich Cannabis unterstützen. Es ist ein Heilmittel – aber du musst trotzdem dein Leben aktiv gestalten.
Sonja Beeker:
Ja, ich finde, Cannabis ist ein bisschen wie eine Lupe. Es verstärkt, was schon da ist.
Wenn jemand sagt: „Oh, Cannabis macht mich so müde!“ – dann denke ich oft: Nein, du warst vorher schon müde. Du hast es nur nicht wahrgenommen.
Mir ging es letztens so. Ich hatte ein paar Bonbons mit minimal THC und hauptsächlich CBD. Und dann saß ich da und dachte: „Wow, ich bin echt erschöpft!“ Aber das kam nicht vom Cannabis. Das hat mir nur gezeigt, wie müde ich tatsächlich schon war.
Das ist das Faszinierende an dieser Pflanze. Sie zeigt dir, was in dir vorgeht.
Canan:
Ja, und deswegen finde ich es auch so spannend, wie unterschiedlich Strains auf uns wirken.
Ich zum Beispiel weiß: Alles, was in Richtung Diesel geht, macht mich extrem konzentriert. Ich kann dann fokussiert arbeiten.
Aber ich brauche auch Strains, die mir Hunger machen. Sonst esse ich nicht. Ich war schon immer sehr dünn, und wenn ich nicht aktiv darauf achte, esse ich zu wenig.
Und schlafen? Schwierig. Es muss schon ein sehr indikalastiger Strain sein, damit ich wirklich runterfahre.
Cannabis erinnert mich daran, auch mal runterzufahren
Canan:
Dadurch, dass ich in meinem Leben so oft operiert wurde – ich wurde das erste Mal mit 12 operiert und saß lange im Rollstuhl –, ist „nichts tun“ für mich fast ein Trauma. Ich kann zum Beispiel nicht einfach im Bett liegen bleiben. Sobald ich aufwache, muss ich aufstehen. Bett ist für mich nur zum Schlafen da, alles andere fühlt sich falsch an.
Wenn ich aber mal einen sehr beruhigenden Strain mittags konsumiere, kann ich tatsächlich für zwei Stunden entspannen. Aber selbst dann denke ich oft: „Oh Gott, jetzt sind zwei Stunden Lebenszeit vergangen, die ich nicht genutzt habe.“ Das ist etwas, woran ich noch arbeiten muss.
Und genau da hilft mir Cannabis: Es erinnert mich daran, auch mal runterzufahren. Mal bewusst eine Stunde Yoga zu machen, ohne die ganze Zeit zu überlegen, was ich in dieser Zeit noch alles hätte erledigen können.
Aber Cannabis kann auch schnell zum Suchtmittel werden. Ich sehe das oft. Manche sagen, sie „heilen“ sich damit – aber wenn man dann sieht, dass sie 20 Bongköpfe am Tag brauchen, dann hat das nichts mehr mit Heilung zu tun.
Sonja Beeker:
Ja.
Canan:
Ich kenne Leute, die sitzen im Rollstuhl, sind ab dem sechsten Halswirbel gelähmt. Oder Menschen mit chronischen Schmerzen, wie ich – 25 Tumore im Bein, Nervengewebe. Wir brauchen alle keine 20 Bongköpfe.
Sonja Beeker:
Boah! Diese Tumore – das war mir gar nicht so klar. Ich musste nachgucken, wie die Krankheit heißt… Neurofibromatose?
Canan:
Vielen Dank. Nee, das dachten die mal. Bis ich ungefähr 23 war, haben sie das vermutet. Dann musste ich Gentests machen.
Meine Krankheit existiert offiziell nicht. Ich bin einer von zwei Fällen in Deutschland. Ich weiß, dass es Mitte meiner 20er mal eine Frau gab, die das im Arm hatte – und wir waren die einzigen bekannten Fälle.
Sonja Beeker:
Wow. Krass.
Canan:
Aktuell auch inoperabel. Die letzten OPs, die gemacht wurden, hat kein deutscher Arzt mehr durchgeführt. Da mussten Ärzte aus der Schweiz eingeflogen werden, weil die Geräte, die sie für diese OPs brauchen, in Deutschland gar nicht existieren.
Aber ich konnte die OPs jetzt lange aufschieben. Ich müsste mal in meine Akten schauen, aber ich glaube, meine letzte Bein-OP ist bestimmt schon zehn Jahre her.
Sonja Beeker:
Und im letzten Jahr geht es dir aber besser, hast du gesagt, oder? Seit diesem krassen Vorfall, wo du fast gestorben wärst, bist du jetzt in einer relativ guten Phase, würdest du das so sagen?
Es war genau so, wie man es aus Filmen kennt: Das Leben zieht an dir vorbei.
Canan:
Ja, auf jeden Fall. Es war ein krasser Mindset-Sprung.
Davor war es immer dieses „wieder zum Laufen kämpfen müssen“. Aber das hier war eine ganz andere Nummer.
Wie soll ich das erklären? Wenn du mit 12 Jahren das erste Mal operiert wirst und drei, vier Monate im Krankenhaus liegst, dann verlierst du Freunde. Das ist das Alter, in dem man sich selbst entwickelt, seinen Platz in der Welt findet. Und dann bist du einfach raus.
Das war mein Leben lang so. Ich habe nie wirklich den Anschluss halten können, weil immer wieder irgendwas passiert ist. Gerade wieder hochgekämpft – zack, nächste OP. Wieder von vorne anfangen.
Aber letztes Jahr… Das war anders.
Das kann sich kein Arzt erklären. Ich bekomme bis heute keine Erklärung, warum das passiert ist. Ich bin einfach von jetzt auf gleich fast gestorben.
Und es war genau so, wie man es aus Filmen kennt: Das Leben zieht an dir vorbei. Du denkst an all die Dinge, die du nicht mehr machen kannst, all die Menschen, mit denen du nicht mehr reden konntest.
Sonja Beeker:
Wow!
Canan:
Ja. Und das war nicht nur körperlich traumatisch, sondern auch psychisch. Ich konnte nicht richtig atmen, nicht richtig laufen. Ich habe ein halbes Jahr gebraucht, um wieder „Mensch“ zu werden.
Die ersten zwei Wochen nach diesem Vorfall konnte ich nicht mal Geräusche ertragen. Keine Gespräche, keine Musik. Ich konnte mir nur Videos anschauen, die mit klassischer Musik unterlegt waren – einfach, weil mein Gehirn nichts anderes ausgehalten hat.
Sonja Beeker:
Wahnsinn.
Deshalb werde ich mich nicht mehr in Krankheit, Leid oder Stress stürzen – wegen irgendwelcher Menschen, die nicht ich oder meine Kinder sind.
Canan:
Und das hat so viel in mir verändert. Ich habe noch mal eine komplett neue Perspektive auf das Leben bekommen.
Seitdem bin ich nur noch in einem Modus der Selbstheilung. Ich achte darauf, was meinem Körper guttut, was mich weiterbringt – für mich, für meine Familie.
Weißt du, was mir in diesen Sekunden, Minuten oder Stunden – keine Ahnung, wie lange das wirklich war – klar geworden ist?
Ich habe nicht an Freunde gedacht. Ich habe nicht an meine Eltern gedacht. Keine einzige Person aus meinem Umfeld war in diesen letzten Gedanken.
Es waren nur meine Kinder.
Ich konnte mit meinem Sohn nicht mehr reden. Ich konnte die Hochzeit meiner Tochter nicht mehr erleben. Das war alles, woran ich gedacht habe.
Und wenn ich das heute reflektiere, dann zeigt mir das: Am Ende des Tages ist das das Einzige, was wirklich zählt.
Deshalb werde ich mich nicht mehr in Krankheit, Leid oder Stress stürzen – wegen irgendwelcher Menschen, die nicht ich oder meine Kinder sind.
Sonja Beeker:
Ja. Ich meine… Das ist eine Lektion, die du da erlebt hast. Die ist so hart. Und du hast so viel überstanden – wortwörtlich.
Ich glaube, das kann niemand nachempfinden, der nicht selbst ein Nahtoderlebnis hatte. Das verändert alles. Danach kannst du nicht mehr so leben wie vorher.
Das ist wirklich unglaublich. Krass.
Canan:
Ja. Und es ist mir bewusst geworden, dass man solche Dinge erst erleben muss, um sie wirklich zu verstehen.
Jemand, der das nicht durchgemacht hat, wird nie nachempfinden können, wie traumatisch es ist, zu realisieren: Das war’s jetzt. Ich habe keine Kontrolle mehr darüber.
Sonja Beeker:
Ich habe ja ganz am Anfang gesagt, dass ich heute eine inspirierende Frau zu Gast habe – und das bist du wirklich.
Du hast so viele Schwierigkeiten überwunden, bist immer wieder wortwörtlich aufgestanden, hast immer wieder laufen lernen müssen. Und du machst nicht nur für dich selbst weiter, sondern du versuchst auch, andere zu verbinden und etwas Größeres zu schaffen.
Deshalb finde ich She Rise als Namen so perfekt. Das bist du!
Und ich glaube, in solchen Schicksalsschlägen – auch wenn ich den Begriff nicht so mag – steckt auch immer eine unglaubliche Kraft.
Deine Geschichte ist so inspirierend. Ich bin echt beeindruckt.
Canan:
Vielen lieben Dank.
Ich glaube, viele Frauen können das nachvollziehen – dass man oft gar nicht selbst sieht, was man eigentlich alles leistet.
Es braucht dann manchmal eine andere Person, die es einem sagt, damit man es überhaupt wahrnimmt.
Sonja Beeker:
Ja.
Wenn Cannabis dir hilft, morgens um fünf im Yoga-Studio zu stehen und das zu lieben – dann go for it.
Canan:
She Rise bedeutet für mich: The rising woman in you. Egal, auf welche Art.
Wenn Cannabis dir hilft, morgens um fünf im Yoga-Studio zu stehen und das zu lieben – dann go for it.
Es geht um permanente Weiterentwicklung. Und genau das sehe ich in der aktuellen Bewegung: Frauen streben immer mehr danach, sich selbst zu finden und weiterzuentwickeln.
Sonja Beeker:
Ja, das sehe ich auch so. Ich finde, Frauen fokussieren sich gerade sehr darauf, ihren eigenen Weg zu finden.
Sag mal, du hast vorhin erwähnt, dass du mit Microdosing nicht so viel anfangen kannst. Ist das einfach eine Sache der Toleranz bei dir?
Canan:
Ja, total. Ich merke erst ab einer bestimmten Menge überhaupt eine Wirkung. Ich glaube, 100 Milligramm THC bei mir sind so wie 5 Milligramm für jemanden, der eine geringere Toleranz hat.
Ich spüre durch einen Joint in der Hand schon etwas, aber wenn ich Edibles nehme, dann wirklich erst ab einer höheren Dosis.
Sonja Beeker:
Wow! Ja, da sieht man mal, wie unterschiedlich das ist.
Wenn ich mit einem Joint in der Hand sitze, dann ist das für alle sichtbar. Aber wenn ich ein Edible esse, dann merkt es niemand. Und genau das finde ich großartig.
Canan:
Ja, und das ist genau das, was ich an Edibles so faszinierend finde.
Denn wenn ich mit einem Joint in der Hand sitze, dann ist das für alle sichtbar. Aber wenn ich ein Edible esse, dann merkt es niemand. Und genau das finde ich großartig.
Sonja Beeker:
Ja, genau.
Canan:
Es geht ja nicht nur um die Stigmatisierung von Cannabis. Ich finde generell, es muss nicht jeder wissen, was ich konsumiere – egal, ob es Cannabis ist oder andere Medikamente.
Früher, als ich mit 21 diese heftigen Pharma-Cocktails nehmen musste – Morphine, Antiepileptika, Antidepressiva –, wollte ich auch nicht, dass meine Nachbarn das wissen.
Sonja Beeker:
Ja. Und es geht ja auch niemanden etwas an.
Canan:
Eben. Ich möchte nicht, dass Menschen, mit denen ich nicht über meine Gesundheit sprechen will, wissen, womit ich mich behandle.
Ich gehe ja auch nicht auf die Straße und sage: „Hey, ich habe gerade meine Tage und trage einen Tampon.“
Sonja Beeker:
Haha, ja, genau!
Ich finde es auch in der ganzen Debatte um Legalisierung und das Überwinden von Kifferklischees wichtig: Jeder sollte selbst entscheiden, wann er diese Diskussion führen möchte.
Mit Edibles hast du einfach die Wahl. Wenn du nicht darüber reden willst, dann musst du es auch nicht – weil es einfach niemand merkt.
Canan:
Ja. Und ich glaube, viele Leute haben ein Problem damit, wenn man das Wort „muss“ benutzt.
Ich erzähle dir mal eine aktuelle Geschichte: Vor ein paar Wochen hatte ich einen Zettel im Hausflur hängen.
Da haben sich Nachbarn beschwert, dass es im ganzen Hausflur nach Cannabis riecht. Der Tonfall war nicht besonders nett – sie waren echt sauer und meinten, dass sie mit ihren Kindern durch den Hausflur laufen müssen und was ist, wenn es in die Kinderzimmer zieht?
Und weißt du was? Ich habe mir das durchgelesen und dachte: Sie haben irgendwo recht.
Ja, der Ton war vielleicht nicht freundlich, aber ich verstehe das.
Ich selbst rieche das kaum noch, wenn ich konsumiere. Aber für jemanden, der nicht konsumiert, ist das extrem präsent.
Also habe ich sofort gesagt: Okay, ich unterlasse es, in meiner Wohnung zu konsumieren. Ich bin ja nicht in einer Situation, in der ich auf einen Rollstuhl oder Krücken angewiesen bin. Ich kann rausgehen. Ich habe einen Hund, mit dem ich eh dreimal am Tag laufe. Also kann ich es draußen machen.
Seitdem ist das Thema erledigt.
Sonja Beeker:
Ja, genau.
Es geht immer um gegenseitige Rücksichtnahme. Ich denke mir immer: „Handle so, dass du damit leben könntest, wenn alle anderen es genauso machen würden.“
Wenn ich nicht will, dass jemand mich zuqualmt, dann kann ich auch nicht erwarten, dass andere es einfach hinnehmen, wenn ich sie zuqualme.
Wenn wir das Kifferklischee wirklich verändern wollen, dann müssen wir freundlich und rücksichtsvoll sein.
Canan:
Ja, exakt!
Und wenn wir das Kifferklischee wirklich verändern wollen, dann müssen wir freundlich und rücksichtsvoll sein. Auch wenn jemand eine pampige Nachricht schreibt, sollten wir trotzdem ruhig bleiben und respektvoll miteinander reden.
Sonja Beeker:
Ja. Und wenn wir Leute zu Besuch haben, die Cannabis konsumieren, dann sind die manchmal überrascht, dass wir in unserem Haus nicht rauchen.
Ich habe zwei kleine Kinder – ich finde es nicht gut, wenn drinnen geraucht wird. Und ehrlich gesagt: Innerhalb von kürzester Zeit hast du dann eine Nebelbude, und das will ich nicht.
Ich glaube, wenn wir Cannabis wirklich in der Gesellschaft normalisieren wollen, dann müssen wir als Konsumenten auch zeigen, dass wir Verantwortung übernehmen.
Canan:
Ja.
Ich habe mittlerweile gar keine Lust mehr, mich ständig zu erklären.
Ich konsumiere in Ländern, in denen es legal ist, trotzdem nicht, wenn ich jedes Mal meine Papiere zeigen und mich rechtfertigen muss.
Ich will nicht vor einem türkischen Polizisten stehen und ihm erklären, warum ich Cannabis als Medikament nutze.
Ich will auch nicht, dass mein Nachbar die Polizei ruft, weil es in unserem Ferienhaus nach Cannabis riecht, und ich dann eine unangenehme Situation mit den Beamten habe – selbst wenn ich rechtlich auf der sicheren Seite bin.
Deshalb tendiere ich immer mehr zu Konsumformen, die nicht auffallen. Edibles, Tropfen – alles, was mich gesundheitlich unterstützt, aber mich nicht zwingt, ständig Diskussionen zu führen.
Sonja Beeker:
Ja, das verstehe ich total.
Und selbst wenn man rechtlich im Recht ist – sich mit der Polizei wegen sowas auseinandersetzen zu müssen, ist einfach unangenehm.
Ich habe zwei Wochen komplett auf Cannabis verzichtet, einfach um zu sehen, was passiert.
Canan:
Ja, genau.
Und weißt du was? Ich habe das letztes Jahr getestet. Ich war in der Türkei und habe zwei Wochen komplett auf Cannabis verzichtet, einfach um zu sehen, was passiert.
Und rate mal: Es ist nichts passiert.
Meine Schmerzen sind nicht schlagartig schlimmer geworden. Mein Körper hat nicht rebelliert.
Essen war die ersten drei Tage schwierig, aber am vierten Tag war es kein Problem mehr.
Und das hat mir noch mal gezeigt: Ich will nicht, dass mein Leben sich um Cannabis dreht. Ich will, dass Cannabis mich unterstützt – aber nicht, dass ich mein Leben nach der Pflanze ausrichten muss.
Sonja Beeker:
Ja.
Ich hatte mir hier eine Frage notiert, die ich dann nicht gestellt habe. Aber du hast sie gerade von selbst beantwortet:
Was würde passieren, wenn dir Cannabis wieder weggenommen würde?
Und deine Antwort ist: Nichts. Weil du dein Leben nicht von einer Pflanze bestimmen lässt.
Canan:
Ja, genau!
Denn sobald du sagst: „Ich kann nicht ohne…“, dann bist du abhängig.
Das gilt für alles – nicht nur für Cannabis.
Wenn ich sage: „Ich kann nicht ohne mein Auto leben“, dann bin ich abhängig von meinem Auto.
Wenn ich sage: „Ich kann nicht ohne Cannabis leben“, dann habe ich ein Problem.
Ich habe gerade einen Freund, der jahrelang konsumiert hat, aber psychische Probleme bekommen hat und gemerkt hat, dass Cannabis ihm nicht hilft.
Er hat jetzt eine Therapie begonnen und fühlt sich damit wohl. Aber er erzählt mir, dass seine Freunde trotzdem rauchen, wenn er dabei ist.
Da frage ich mich: Muss das sein? Können sie nicht fünf Minuten vorher konsumieren oder kurz warten?
Dieses ständige „Ich muss jetzt“ – das ist für mich ein Zeichen von Abhängigkeit.
Sonja Beeker:
Ja, genau.
Und ich glaube, gerade in Deutschland ist das Thema noch aufgeladen.
Weil Cannabis so lange verboten war, gibt es jetzt viele, die sagen: „Jetzt erst recht!“
Aber langfristig wird sich das einpendeln.
Canan:
Ja, es muss sich erst regulieren.
Sonja Beeker:
Ja.
Sag mal, weißt du eigentlich, was dein Name bedeutet?
Das Leben, die Liebe und die Frau, die von ganzem Herzen liebt.
Canan:
Ja.
Mein Name bedeutet: Das Leben, die Liebe und die Frau, die von ganzem Herzen liebt.
Sonja Beeker:
Was? So viel in einem Wort? Das ist ja der Hammer!
Canan:
Ja, „Can“ bedeutet im Türkischen „Leben“ oder „Seele“. Und meine Namensbedeutung ist „die ewig Geliebte“ oder „die Liebende“.
Ich warte nur noch darauf, dass das Universum das erkennt.
Sonja Beeker:
Haha, es kommt, es kommt!
Super. Vielen, vielen Dank für dieses tolle Gespräch! Es war lustig, es war traurig, es war echt – und es hat definitiv zum Nachdenken angeregt.
Ich danke dir. Echt klasse.